Zwei fertig verpackte Tafeln Schokolade
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Von der Kakaobohne zur Schokoladentafel

Jonathan Baldinger fertigt in seiner kleinen Chocolaterie in Krugzell bei Altusried feine Bruchschokolade, verschiedene Trüffelpralinen und Schokolade-Tafeln sowie haselnussige Brotaufstriche. Sein Credo für die Schokolade: bean-to-bar. Von der Kakaobohne bis zum fertigen Produkt liegt alles in seinen Händen.

  • Krugzell

    Ort

  • Schokolade

    Das wird hier geboten

Krugzell. Von außen sieht und riecht man nichts. Gar nichts, was irgendwie auf eine Schokoladen-Werkstatt hindeuten könnte. Vor uns steht lediglich ein gemütliches Holzhaus, das schön in die Siedlung in Krugzell bei Altusried (Oberallgäu) eingewachsen ist. Da öffnet Jonathan Baldinger mit einem Lächeln die Haustür und nimmt uns mit in seine sehr kleine, aber feine Chocolaterie. Dort gibt es, gerade jetzt kurz vor Weihnachten, jede Menge zu tun.

Sein Reich ist nur zwölf Quadratmeter groß, ein kühler Raum in seinem Keller. In den Regalen stapeln sich Boxen mit Zutaten und Zubehör, auf der anderen Seite stehen wenige Gerätschaften auf der Arbeitsplatte, ein paar Gussformen liegen herum. Der 48-Jährige bindet sich eine weinrote Schürze um, überlegt kurz, was zuerst zu tun ist, und beginnt mit der Produktion. Er arbeitet nach dem Konzept „bean-to-bar“, eine eher ungewöhnliche Herstellungsweise, die aufwändig und arbeitsintensiv ist, aber seine Erzeugnisse so besonders macht.

Eine Hand hält Kakaobohnen
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Stücke Kakaobutter
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Ob roh oder geröstet, äußerlich sieht man kaum einen Unterschied. Doch geröstete Kakaobohnen besitzen einen leichten Kakao-Geschmack, während rohe Bohnen bitterlich und säuerlich schmecken. Kakaobutter verwendet Jonathan entweder am Stück – sieht wie Parmesan aus – oder als kleine Drops.

Aus Kakaobohnen wird Schokolade

Zunächst gibt Jonathan geröstete Kakaobohnen und Kakaobutter in einen Mixer, um die Zutaten grob zu zerkleinern. Anschließend kommt die Masse samt Kokosblütenzucker, Vanille und Stevia in eine nach oben offene Walze. Ganze drei Tage, nur von kurzen Pausen unterbrochen, zermahlt sie die Bohnen bei 55 Grad ganz fein. „So gelangt Sauerstoff hinzu, Bitterstoffe verflüchtigen sich, neue Aromastoffe bilden sich. Das erst macht den intensiven Geschmack aus“, erklärt Jonathan Baldinger, der die Masse stets mit dem Oberflächenthermometer kontrolliert. „Anschließend kühlt die Schokolade von rund 55 Grad auf 27 Grad ab und wird im Temperiergerät wieder auf 32 Grad wohl temperiert. Durch dieses Auf und Ab wird die Schokolade schön glatt und glänzend und gibt keine Schlieren.“

Chocolatier Jonathan Baldinger gibt flüssige Schokolade aus ein Papier
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Kakaobohnen werden gemahlen
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Sein Hobby ist jetzt sein zweiter Beruf: Jonathan Baldinger liebt die Arbeit mit der Schokolade, die viel Zeit, Geduld, Feingefühl und Fingerfertigkeit erfordert.

So entstehen Bruchschokolade und Schokolade-Tafeln

Langsam füllt sich der kleine Raum mit dem typisch-leckeren Duft von Kakao, der einem sofort in die Nase steigt und das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Jonathan gießt die Schokoladenmasse auf ein silikonfreies Backpapier und verstreicht sie zu einer dünnen Schicht. Dann gibt er helleres Pistaziennougat in ungeordneten Linien über die dunkle Masse und klopft alles leicht auf den Tisch, so dass sich Hell und Dunkel zu einem Muster verbinden und keine Luftblasen entstehen. Nun muss es nur noch aushärten, fertig ist die Bruchschokolade. „Ich lagere sie in Platten und breche sie erst vor Ort, zum Beispiel auf dem Markt, in kleine, unregelmäßige Stücke“, sagt der gebürtige Berner mit unverkennbarem Schweizer Akzent. Nebenbei hat er noch eine weitere Masse zubereitet, die er nun in die Formen für Schokolade-Tafeln gießt. Ist die Schokolade richtig temperiert, zieht sie sich beim Härten etwas zusammen und lässt sich dann ganz leicht aus der Form lösen.

Chocolatier Jonathan Baldinger verpackt eine Tafel Schokolade
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Frisch ausgebreitete, flüssige Schokolade für Bruchschokolade
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Die Tafelschokoladen in vier verschiedenen Sorten sind allesamt vegan, gluten- und laktosefrei. Jonathan Baldinger stellt auf Wunsch auch größere Mengen her, zum Beispiel als Kunden- oder Mitarbeitergeschenke.

Vom Hobby zum schönsten Nebenjob

Bruchschokolade, Pralinen, Schokoladen-Nikoläuse, Nuss-Nougat-Aufstriche … Was jetzt alles in der Chocolaterie gefertigt wird, beginnt ganz unspektakulär vor rund elf Jahren. Über eine Bekannte lernt Jonathan Rohkakao kennen. „Schokolade esse ich schon immer gerne. Aber dass man sie komplett eigenhändig herstellen kann, hätte ich nicht gedacht“, erzählt der zweifache Vater. Da er sich aber für Herstellungsprozesse aller Art sehr interessiert, beginnt er zu recherchieren. Und findet heraus: Er braucht eine Walze, um Kakaobohnen fein mahlen zu können. Diese ersteht er in Indien, das Internet macht`s möglich. Er studiert Zutatenlisten, testet in vielen Versuchen aus, wie viel Fett und wie viel Kakao nötig ist, und entwickelt seine eigenen Rezepturen. Die Produktion – bisher sein Hobby – macht ihm so viel Spaß, dass er sie professionalisieren möchte. Doch um gewerblich Waren zu verkaufen, bedarf es einer Lizenz. So besucht Jonathan Baldinger einige Kurse und legt schließlich verschiedene Prüfungen bei der Konditioren-Innung und bei der Handwerkskammer ab. Dank der Ausnahmegenehmigung für Schokolade und Pralinen darf er nun ganz offiziell seine Produkte in ausgesuchten Läden und Cafés in der Region anbieten. Auch auf verschiedenen Märkten ist er mit einem Stand anzutreffen, wo der 48-Jährige gerne mit den Käufern ins Gespräch kommt. Außer den 70-Gramm-Tafeln Schokolade wird alles – von Pralinen und Bruchschokolade bis zu den getrockneten Früchten mit Schokoladefüßchen oder mit Schokolade überzogenen Nüssen – gewogen und grammweise abgegeben. Da kostet man sich doch mit Vergnügen durchs ganze Sortiment.

Zwei Schokoladen-Nikoläuse
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Ein Nikolaus sucht Gesellschaft: Jonathan Baldinger zeigt gerne auch in Kursen, wie man seine eigenen Nikoläuse gestaltet und mit Schokolade ausgießt.

Fertige Pralinen verschiedener Art
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Feine Trüffelpralinen mit Marc de Champagne, Whiskey, Erdbeere, Haselnuss-Krokant, Pistazie, Nougat oder Tonka-Bohne – für jeden Geschmack ist was dabei.

Zutaten und Verpackung – alles nachhaltig und fair

Noch dazu, wenn man weiß, dass die Produkte von A bis Z nachhaltig hergestellt sind. Denn Nachhaltigkeit und der persönliche Kontakt liegen Jonathan Baldinger sehr am Herzen. „Kakaobohnen und -butter beziehe ich von einem Geschäft in Bremen, die mit einer Bauernkooperative in Kamerun zusammenarbeiten, direkt und fair gehandelt. Auch die getrockneten Ananas- und Mango-Stücke sind von dort. Andere Zutaten wie Butterschmalz, Milchpulver oder Haselnüsse stammen aus der Region“, erklärt er. Die Verpackung besteht aus Glas oder kompostierbaren Zellglas-Tütchen, die mit einem Stück Bast zugebunden werden, die Banderole ist lebensmittelecht, die Etiketten kommen aus der Öko-Druckerei.

Drei Gläser mit Haselnuss-Aufstrich
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Chocolatier Jonathan Baldinger verpackt eine Schokoladentafel
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Ob Glas oder kompostierbares Zellglas-Tütchen: Alles ist nachhaltig verpackt.

Chocolaterie zum Abschalten – 
Schokolade genießen

Wie einzelne Puzzleteile hat sich der 48-Jährige sein Wissen zusammengesucht und viel durch Ausprobieren herausgefunden. Nun weiß er aus Erfahrung, wann die Konsistenz der Schokolade gut ist, wann sie perfekt temperiert ist. Die Zeit, die er in seiner Chocolaterie verbringt, ist für ihn ein schöner Ausgleich zu seinem Hauptjob als Psychologe: „Hier konzentriere ich mich ganz auf die Schokolade und kann gut abschalten.“

Sein nächstes Projekt, an das er sich wagen will, ist weiße Schokolade mit Haferdrinkpulver. Alles learning by doing, alles in Handarbeit, von der Kakaobohne bis zur Tafel Schokolade. Genuss-Produkte, die nachhaltig sind, samt einem Geschmackserlebnis, das intensiv auf der Zunge bleibt – ein Fest für Schokoladen-Liebhaber.

Porträt von Chocolatier Jonathan Baldinger , lacht
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Im Herbst und Winter, wenn verschiedene Märkte anstehen, ist Jonathan Baldinger mit der Vorproduktion vollauf beschäftigt.

Tipp

Gefüllte Trüffelpralinen oder Schoko-Nikoläuse selbst gemacht: Wer Jonathan Baldiger live erleben möchte, bucht einen seiner Kurse, die er bei den „Zwei Schwestern“ in Kempten anbietet. Hier gibt’s auch Gutscheine für Kurse –  ein nettes Geschenk zu Weihnachten.

Chocolatier Jonathan Baldinger misst die Temperatur von flüssiger Schokolade
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Chocolatier Jonathan Baldinger verstreicht flüssige Schokolade auf einem Papier
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Chocolatier Jonathan Baldinger streicht mit einem Löffel Muster in flüssige Schokolade
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Frisch ausgebreitete, flüssige Schokolade für Bruchschokolade
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Chocolatier Jonathan Baldinger bricht Schokolade auseinander
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Frische Schokolade
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Schokoladen-Nikoläuse frisch in eine Form gegossen
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Chocolatier Jonathan Baldinger arbeitet konzentriert an einem Schoko-Nikolaus
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Fertiger Schoko-Nikolaus frisch aus seiner Plastikform
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Portrait Silke Lorenz
©

Silke Lorenz

Die Autorin

Silke Lorenz

Von Franken über Niederbayern und Baden ins Allgäu, von Tageszeitungen und Verlagsarbeit über Frauenmagazine zur freien Journalistin: Seit über zehn Jahren bin ich jetzt im Oberallgäu daheim und entdecke immer aufs Neue tolle Menschen, alte Handwerkskünste, faszinierende Orte – und immer wieder sprachliche Schätze im Allgäuer Dialekt, die mein Germanisten-Herz erfreuen :-). Ich hoffe, Sie haben genauso viel Spaß beim Lesen meiner Geschichten wie ich beim Recherchieren derselbigen. Frohes Schmökern!

Für dich ausgesucht

Passend dazu

Thema
Schokoladenspritzer auf rotem Hintergrund
©

Chantal Alexandra Pilsl

Allgäuer Naschgeschichten

Viel Fingerspitzengefühl, die Liebe zum Detail, die pure Freude am Genuss – das Allgäu überrascht immer wieder mit seinen kleinen, feinen Genuss-Orten. In unseren...

Zu den Manufakturen
Blogpost
Das Auge ist mit - feinste Kuchen schön drapiert
©

Zwei Schwestern

Mit richtig viel Liebe gebacken

Mit richtig viel Liebe, Kreativität und vor allem Teamwork gebacken. Wir nehmen euch mit in die süße Welt der Tartes, Kuchen und Torten - in die kreative Backstube der...

mehr dazu
Blogpost
©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Die "Zuckerfheel" in Kempten: Wenn Nougat auf Allgäuer Enzian trifft

Die „Zuckerfheel“ in Kempten zaubert in ihrer Patisserie feine Pralinen und leckere Bruchschokolade. Neben Nougat- und Schokoladenduft liegt jedoch auch die erdige Note...

Zum Blogpost