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Allgäu GmbH, Kathrin Heckmann

Etappe 3: Rettenberg – Burgberg (mit Grünten und Starzlachklamm)

Meine letzte Etappe auf der Wasserläufer-Route ist gleichzeitig die anspruchsvollste: Und das liegt zweifelsohne daran, dass es auf dem Weg zwischen Rettenberg und Burgberg den Grünten zu überwinden gilt. Und dass zwischen seinem Gipfel und meinem Startpunkt in Rettenberg immerhin fast tausend Höhenmeter liegen!

  • Fräulein Draußen

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Meine letzte Etappe auf der Wasserläufer-Route ist gleichzeitig die anspruchsvollste: Und das liegt zweifelsohne daran, dass es auf dem Weg zwischen Rettenberg und Burgberg den Grünten zu überwinden gilt. Und dass zwischen seinem Gipfel und meinem Startpunkt in Rettenberg immerhin fast tausend Höhenmeter liegen!

Der Weg hinauf führt fast ausschließlich über schmale Pfade, die zwar teilweise von der steileren Sorte sind, aber ansonsten nicht weiter schwierig zu gehen. An der Alpe Kammeregg auf etwa halben Weg ist es mir noch zu früh für eine Pause, auch wenn die Verlockung nach einer zweiten Runde Kaffee groß ist. Begleitet von dem Klingeln der Kuhglocken geht es weiter Richtung Gipfel. Zumindest bis zum Sattel, rund 200 Höhenmeter unter dem höchsten Punkt. Der Ruf der eiskalten Apfelschorle wird zu groß, nachdem es an diesem Tag schon sehr früh ziemlich warm war und ich unterwegs den ein oder anderen Schweißtropfen verloren haben. Mit einem kleinen Abstieg erreicht man vom Sattel aus die Grüntenhütte, die auf 1.447 Metern liegt und einen tollen 360-Grad-Blick bietet. In den Liegestühlen der Hütte lässt es sich besonders gut pausieren, aber irgendwann schaffe ich es, mich zu den letzten Höhenmetern zu überreden. Die sind besonders steil, aber auch besonders schön, und kurz vorm Gipfel gibt es sogar noch ein bisschen Felskontakt. Gut für das alpine Feeling, auch wenn dank der brennen Waden eigentlich sowieso kein Zweifel besteht, dass es sich hierbei um eine waschechte Bergtour handelt. Auch wenn auf dem Gipfel des Grünten nicht das übliche Gipfelkreuz zu finden ist, sondern mit dem Jägerdenkmal ein eher ungewohnter Anblick, zumindest für die Alpen: Das Jägerdenkmal ähnelt nämlich einer asiatischen Tschorte – jenen Sakralbauwerken, die hoch oben im Himalaya zu finden sind und dort den Buddhisten als Erinnerungsstätten dienen. Erinnern soll sie auch auf dem Grünten, und zwar an die gefallenen Gebirgsjäger der Weltkriege. Vor rund 100 Jahren wurde das Steingebilde dort mit Hilfe von Mulis von Gebirgsjägern mühevoll errichtet. Aber nicht nur wegen dem Denkmal ist der Grünten ein besonderer Berg: Seine isolierte und exponierte Lage zwischen Flachland und Hochgebirge macht schnell klar, warum der Berg auch „Wächter des Allgäus“ genannt wird. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass es einen besseren Rundumblick über das Allgäu geben kann. Außer vielleicht man ist einer der glücklichen Gleitschirmflieger, die von den Hängen des Grünten starten.

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Fräulein Draußen wandert auf ihrer Wasserläufer-Tour auf den Grünten.

Von weither deutlich sichtbarer als der eigentliche Gipfel ist der rot-weiße Sendemast etwas unterhalb, der vom Bayerischen Rundfunk genutzt wird. An ihm vorbei geht es auf der anderen Bergseite wieder in Richtung Tal, mit vielen schönen Blicken auf die Alpen, welche während des Aufstiegs durch den Grünten verdeckt wurden. Und vorbei an zwei weiteren Hütten, die zusammen mit den anderen dafür sorgen, dass man sich um seine Verpflegung auf einer Grünten-Tour definitiv keine Gedanken machen muss.

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Das zweite Highlight dieser Etappe wäre nun die Starzlachklamm gewesen. „Wäre“, weil die bedingt durch die Corona-Lage aktuell (Stand August 2021) nur in eine Richtung begehbar ist. Und zwar blöderweise vom Tal aus, und somit nicht aus der Richtung, aus der ich komme. Deshalb folge ich der am eigentlichen Abzweig hinunter in die Klamm gut ausgeschilderten Umleitung. Und immerhin: Ein Trosteis gibt’s für mich, und zwar direkt aus dem Eisautomaten („Eishidde“) beim Gasthof Alpenblick. (Könnte es ruhig öfter geben, so einen Automaten!) Komplett auf die Klamm zu verzichten kommt aber natürlich gar nicht in Frage, auch wenn es an diese Tag schon zu spät ist (und meine Beine zu müde), um den Umweg in Kauf zu nehmen. Aber ich beschließe, die circa fünf Kilometer lange Rundwanderung mit dem Abschnitt durch die Klamm einfach am nächsten Morgen vor meiner Abreise nachzuholen. Eine sehr gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte…

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Gut ausgeruht starte ich am nächsten Tag vom Parkplatz in Winkel aus zur kleinen Wanderung durch die Starzlachklamm. Das Warm-Up entlang der Starzlach ist schnell vorüber, für 3,50 Euro darf ich am Kassenhäuschen passieren. Der tosende Wasserfall direkt daneben gibt einen ersten Eindruck davon, was mich in der Klamm erwartet, die seit 1932 erschlossen und für Besucher geöffnet ist. Wie auch schon an meinem ersten Wandertag machen sich auch hier noch die Regenfälle der letzten Tage  und Wochen bemerkbar: Der Fluss führt jede Menge Wasser, welches sich hier schon seit Jahrtausenden seinen Weg durchs Gestein bahnt. Entlang grün bewachsener Felswände wandere ich auf einem kleinen Pfad, der mitunter etwas unwegsam und rutschig ist, durch die schmale Klamm. Mal auf der einen, dann auf der anderen Seite, vorbei an Stromschnellen, Strudelkesseln und Wasserfällen. Von den Brücken aus hat man die beste Blicke. Viel zu schnell sind die rund 800 Meter durch die Schlucht vorbei, und es geht auf einem Waldpfad steil nach oben. Dichter Waldbewuchs und steile Felswände machen auch diesen Teil der Wanderung zu einem Erlebnis. Langsam wird es ruhiger, das Dröhnen und Rauschen der Klamm ist nur noch in der Ferne zu hören. Und kurze Zeit später stehe ich dort, wo ich im Vortag nicht abbiegen durfte. Den Rest des Weges kenne ich schon, aber gehe ihn gerne noch ein zweites Mal. Zeit, die Erlebnisse der letzten Tagen sacken zu lassen – und dem Allgäu auf Wiedersehen zu sagen. In Zukunft werde ich beim Wort Allgäu definitiv nicht mehr „nur“ an die Gipfel der Allgäuer Hochalpen denken, sondern an so viel mehr, wofür sich eine Reise hierher lohnt.

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Folgendes dürfte jetzt eigentlich sowieso klar sein, aber zur Sicherheit nochmal: Wer diese Tour in nächster Zeit nachwandern will, sollte unbedingt die andere Gehrichtung wählen, um die Klamm nicht zu verpassen!

Katrin Heckmann

Die Autorin

Katrin Heckmann: Fräulein Draußen

Dass ich erst so richtig glücklich bin, wenn ich mit Wanderschuhen bewaffnet in irgendeiner menschenleeren Landschaft stehe, das Meer vor meinem Zelt rauschen höre oder den Sonnenuntergang von einem Berggipfel aus betrachte, das war mir bis vor wenigen Jahren noch gar nicht so richtig bewusst. Aber spätestens als ich mein Zelt zum ersten Mal auf einem einsamen schottischen Hügel aufschlug und die Abendsonne die Highlands in goldenes Licht tauchte, während ich meine Asiaanudelsuppe schlürfte, wusste ich, dass ich da etwas ganz Großem auf der Spur war. Seit diesem Tag ist meine Leidenschaft fürs Draußensein immer weiter gewachsen und zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden.

Dabei müssen es aber nicht die höchsten Gipfel oder die weitesten Wege sein. Draußen sein, frei sein, glücklich sein ist das, was mir wirklich wichtig ist. Und das suche und finde ich auf einer 1.000 km langen Fernwanderung in Australien oder einem 4-wöchigen Solo-Roadtrip durch die endlose Weite Alaskas genauso wie auf einer kleinen Mehrtagestour zu Fuß oder auf dem Fahrrad duch das Allgäu und Bayerisch-Schwaben.