Ausgezeichnet: Seit mehr als 30 Jahren prägt Hubert Heinl den Bergwald am Riedberger Horn – mit ungewöhnlicher Unterstützung

Das Riedberger Horn ist der höchste Berg der Hörnergruppe und wurde bereits 1992 in weiten Teil zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. Für den einzigartigen Bergwald über dem Gunzesrieder Tal trägt der charismatische Förster Hubert Heinl die Verantwortung. Ihm wurde sogar eine Medaille verliehen. Auch dafür, dass er auf die Hilfe von Freiwilligen setzt.

    Unlängst wurde er ausgezeichnet. Und wenn man Hubert Heinl fragt wofür er die Medaille erhielt, dann antwortet er lachend: „Dafür, dass ich so hartnäckig bin!“ Tatsächlich aber hat der Förster mit besonderem Engagement seinen Hochwald behütet – und einen Ort geschaffen, wie es nur wenige gibt. Wir fragen ihn, ob er ihn uns sein Lebenswerk zeigt. Er antwortet: „Jetzt aber nicht pathetisch werden.“ Und ergänzt: „Na klar!“ Heinl fordert seine Hündin Mila auf Platz zu nehmen im Fiat Panda 4×4, und dann geht es mit Karacho über einen Waldweg bergan. Immer weiter hinauf in enger und enger werdenden Waldserpentinen. Bis der Weg endet und die kleine Karre nicht mehr weiter kommt. Zu Fuß steigen wir noch ein Stück voran. Durch einen Wald wie ein Märchenwald.

    Hier präsentiert sich der Wald als Gemeinschaft von Persönlichkeiten

    Bis wir in etwa 1.400 Metern an einem Hang stehen bleiben. Die Nachmittagssonne sickert durch die Bäume, mit mächtigen Wurzeln krallen sie sich in den Hang. „Dies sind unsere Heiligen Hallen“, sagt Hubert Heinl und weist in ausladender Geste über den Wald vor uns. Buche, Ahorn, Ulme, Tanne. Rund 250 Jahre alt sind die Bestände hier oben. Der Förster in der leuchtend orange farbenen Weste sieht mehr als den Wald vor lauter Bäumen. „Jeder Baum ist ein Individuum, jeder Baum eine Persönlichkeit.“

    „Aufgrund seines hohen Alters und seiner großen Naturnähe entspricht der Wald hier dem Zustand, wie er von Natur aus wachsen würde, und ist deshalb dauerhaft aus der forstlichen Nutzung genommen.“ Wir streifen umher, stehen unter einem mächtigen Bergahorn, steigen über eine umgestürzte Buche, deren Rinde schon von Moos überzogen ist, von Flechten und Pilzen. Der Förster tätschelt den Stamm wie den Hals eines Haustiers. „Das sind unsere Juwelen – das Totholz.“ Ein seidenmatter, goldener Schimmer liegt in den Baumkronen. Die Luft schmeckt kühl und würzig. Man spürt geradezu, wie es gut tut, hier zu sein. „Lasst uns die Problemzone besichtigen.“

    Ohne die Hilfe von Freiwilligen wäre der Waldumbau kaum möglich

    So grandios sich die eine Seite des Bergwaldes zeigt, so völlig anders sieht es auf der anderen aus. Hier dominiert die Fichte. „Das ist ein Charakterbaum der nordischen Wälder. Die Fichte passt auch hierher, aber eher als ein Baum unter vielen. Ein gesunder Bergwald besteht aus bis zu zehn verschiedenen Baumarten. Solche Monokulturen bedrohen auch den Hang, an einigen Stellen ist der Boden schon abgerutscht.“ Vor 15 Jahren hat er angefangen, dagegen zu steuern und Weißtannen einzupflanzen. Es ist eine harte Arbeit. Denn die Hänge sind steil, der Boden ist steinig. Ohne die Unterstützung durch Freiwillige des Bergwaldprojekts wäre das nicht möglich gewesen. „Wir betreiben hier langfristige und nachhaltige Forstwirtschaft. Vor allem aber setzen wir auf Anpflanzungen von Weißtannen und auf Geduld. Mindestens 30 bis 50 Jahre wird der Waldumbau hier dauern.“

    „Wir können das Rad der Zeit nicht zurück drehen“, sagt Förster Heinl. Er steht mit seiner Hündin zwischen den Baumstümpfen des alten Waldes und den Ahorn- und Weißtannenschößlingen des zukünftigen Waldes. Die jungen Bäume haben nur eine Chance, wenn die Wildbestände eingedämmt werden. Wer den Waldumbau will, muss auch die Jagd forcieren und akzeptieren. Eine trophäenorientierte Jagd sei hier nicht zielführend. „Wald vor Wild – so wie es im Gesetz steht“, sagt der Förster. Und ergänzt: „Die Zeit drängt. Wenn wir nichts tun, fällt der Wald um.“

    Der Weg zum gesunden, widerstandsfähigen Bergmischwald geht nur über die forstliche Pflege. Der Umbau der labilen Fichtenreinbestände ist eine Generationenaufgabe bei intensiver forstwirtschaftlichen Nutzung. Das Ziel: „klimastabile Dauerwälder unter Erzeugung des klimafreundlichen Rohstoffes Holz“. Beim Waldumbau erweisen sich die Freiwilligen des Bergwaldprojekts als großartige Hilfe. Mehr noch. „Wer mal eine Woche hier gearbetet hat, wird zum Botschafter des Waldes. Auch wenn einem noch tagelang danach der Rücken weh tut und die Schwielen an den Händen brennen.“ Hubert Heinl hat viel Respekt für das Bergwaldprojekt und die Freiwilligen, die zum Teil ihren Urlaub hergeben, um hier zu arbeiten. Man übernachtet in einfachen Hütten mit nur eingeschränkten Waschmöglichkeiten. Die Arbeit beginnt um 7 Uhr morgens. „Nach einer Woche sind die Leute fix und fertig. Und melden sich oft schon wenige Tage später für den nächsten Einsatz an.“ 

    Der CO2-freundlichste Rohstoff, den es gibt

    Die Arbeit lohnt sich. Holz ist der CO2-freundlichste Rohstoff. „Wenn wir in intakten Wäldern nachhaltig wirtschaften, dann kommt der Wald zurück. Das braucht Zeit. 100 bis 200 Jahre mindestens. Vielleicht sogar mehr. Und es verlangt eine andere Haltung: Wir müssen den Wald und die Natur wieder mehr respektieren.“ Wenn man diese Flächen in Gunzesried vergleicht, sieht man, wohin die Reise geht. Auch wenn es nicht leicht fällt, so weit in die Zukunft zu schauen. Der Wald lebt ein anderes Zeitmaß. Und Hubert Heinl empfiehlt, den Wald wie ein Maler zu sehen. „Man muss nur akzeptieren, dass man selbst dann nicht mehr da ist.“

    Das Bergwaldprojekt

    Als 1986 in den Medien vor allem apokalyptische Bilder des Waldes gezeigt wurden, entstand in einer Hamburger Küche die Idee, mit Freiwilligenarbeit am Waldumbau teilzuhaben. Ehemalige Greenpeace-Mitglieder und einige Förster begannen zu planen, und schon ein Jahr später erfolgte der erste Einsatz. 1993 wurde der Verein gegründet. Seither wurden mehr als 160 Arbeitswochen an etwa 77 Orten geleistet, rund 4.000 Freiwillige leisteten einen Beitrag im Bergwaldprojekt. Die Arbeit ist nicht ohne: 6 Uhr Aufstehen, 1 Stunde Aufstieg, 7 Stunden Arbeit, 1 Stunde Abstieg. Man weiß, was man nach einer Woche getan hat. Doch die Freiwilligen sind begeistert und versuchen meist gleich noch einen weiteren Termin zu buchen. Und obwohl alle Teilnehmer für die Anreise und die abendlichen Aufwändungen selbst aufkommen, sind die Plätze immer schnell vergeben. Man kann also Gutes tun auf Reisen. Der Wald braucht Hilfe. Die Bäume sind unsere Freunde.

    Die Autoren

    Susanne Baade und Dirk Lehmann

    Im Expeditionsschiff in die Antarktis und per Helikopter über Australien, Wanderung zu einem Kloster in Nepal und Besuch im Luxushotels in Paris, Trekkings durch Kanada und Achtsamkeitsübungen im Allgäu – zu reisen, zu fotografieren, die Welt zu erzählen: Das ist unser Beruf, unsere Berufung. Lange haben wir als Redakteure namhafter Magazine im Hamburger Verlag Gruner+Jahr gearbeitet, seit einigen Jahren berichten wir nun für das Allgäu aus dem Allgäu. Hier haben wir besondere Menschen kennen gelernt, faszinierende Momente erlebt und eine Natur, die uns immer wieder begeistert. Wir sind dankbar für jedes dieser Abenteuer. Und dafür, dass Sie uns begleiten! Susanne&Dirk

    Mehr zu Susanne und Dirk auf ihrer Website.