Besser Leben durch Innere Ordnung

„Vergesst mir die Seele nicht“ lautet ein Satz von Sebastian Kneipp. Dabei ist die Aussage viel mehr als ein Bonmot. In unserer Zeit muss man lernen, inne zu halten. Für 200 Jahre Kneipp sprechen wir mit Menschen über Innere Ordnung. Gerade in unserer Zeit zählt es, auch einmal inne zu halten.

    Kurz vor Schluss, sagt Susanne Ohr, Seelsorgerin in Bad Wörishofen, kämen die Menschen zu ihr. Es sind meist Kurgäste. Sie hätten hier etwas für ihren Körper getan, für ihre Fitness, für die Gesundheit, und würden kurz vor der Abreise feststellen, dass etwas fehlt. „Die einen wollen einen Impuls mitnehmen, die anderen etwas für ihre Seele tun“, sagt Ohr. „Denn viele wissen, dass es tiefer liegende Gründe dafür gibt, dass sie krank geworden sind. Und dann suchen sie das Gespräch.“

    Susanne Ohr ist ein Mensch, der auf besondere Weise Anteilnahme, Humor und ein nachhaltiges Interesse am Gegenüber zeigen kann, sie trägt ihr langes Haar zu einem kleinen Bun verknotet, eine Haarsträhne hinter dem Ohr. Sie sagt, dass die Menschen eigentlich immer zu spät kämen. „Ich selbst bin da keine Ausnahme.“ Sie lächelt. Ein Bandscheibenvorfall hätte sie aus der Bahn geworfen. „Zwei Jahre habe ich daran laboriert.“ Und sie ergänzt, es sei menschlich, dass man sich nicht vorab kümmert.

    Im Hamsterrad erkennt man die eigene Lage erst, wenn die Kräfte schwinden

    Ein Fehler ist es dennoch. Und, so hart es klingen mag, dafür trägt meist niemand anderes die Verantwortung als man selbst. So zumindest lautet die unbequeme Botschaft des Sascha Maurer. Der Coach weiß, wovon er redet. Er rutschte beinahe in einen Burnout hinein. Nachdem das Tief überwunden war, kehrte er nicht in das Leben zurück, das dafür verantwortlich war, er erfand sich selbst neu. Und hilft heute anderen, neugierig und nachhaltig auf sich selbst zu schauen. „Viele Menschen sind in einer Opferhaltung, können sich nicht abgrenzen oder übernehmen sich – und kommen an ihre Grenzen.“ Das gehe so lange gut, bis nichts mehr geht. „Wer im Hamsterrad steckt, erkennt seine Lage vielfach erst, wenn die Kraft nicht mehr ausreicht, das Rad anzutreiben.“

    Interview mit Sascha Maurer

    Wir treffen Sascha Maurer im Bio Hotel Eggensberger, oberhalb des Hopfensees. Die Sonne blitzt durch große Sprossenfenster. Maurer, ein schlanker Best Ager mit kurz geschorenen Haaren, trinkt eine Saftschorle. Dass er hier sitzt, ist kein Zufall. Maurer gehört zu denen, die – wie das Team im Hotel – aktiv an der Erstellung der Schlaf-Studie der Stadt Füssen beteiligt waren. Deren Titel sorgte für einiges Aufsehen: „Gesunder Schlaf durch Innere Ordnung“. Unter Federführung von Wissenschaftlern der Ludwig Maximilians Universität in München wurde in einem mehrwöchigen Programm nachgewiesen, dass Anwendungen nach Kneipp bei knapp 73 Prozent der Teilnehmer zu klinisch relevanten Verbesserungen der Schlafqualität führten.

    Guter Schlaf ist für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit. In einem Gesundheitsreport berichtet die DAK, dass mehr als 80 Prozent aller Arbeitnehmer angeben, schlecht zu schlafen. Nur 18 Prozent der Deutschen, so eine andere Umfrage, sind mit ihrem Schlaf zufrieden. Sascha Maurer bezeichnet sich als denjenigen, der die Schlechtschläfer erst einmal aufweckt, bevor sie besser schlafen können. „Ich empfehle, sich regelmäßig zu reflektieren, das eigene Verhalten zu prüfen und achtsamer mit sich und anderen umzugehen“, sagt Maurer. „Wer sich an Kneipps Lebensordnung orientiert, verbessert die eigene Schlafqualität nachweislich – und über kurz oder lang auch das Wohlbefinden und die Lebensqualität.“

    Der besondere Blick eines Bauernjungen auf die Schöpfung

    Maurer nennt Kneipp einen „Visionär für ganzheitliche Prävention“. Und auch Susanne Ohr zeigt sich tief beeindruckt vom ganzheitlichen Blick, den der Bauernjunge aus dem Allgäu für sich gefunden hat – auf den Menschen in der Schöpfung und in der Welt. „Seine Theologie ist sicherlich eine andere als die, die wir heute leben. Doch sein Antrieb war die Frage nach Gott, nach Sinn. Und diese Frage treibt uns heute noch an. Selbst die Fridays-for-Future-Bewegung sehe ich voll in Kneipps Lehre eingebunden.“

    So banal es klingen mag: Das Ziel der Ordnungstherapie nach Kneipp ist eine bewusste Lebenshaltung – dass man um die eigenen Bedürfnisse weiß. Und in Harmonie lebt mit sich und seiner Umwelt. Kneipp sagt: „Erst als ich Ordnung in die Seelen der Menschen brachte, besserten sich auch die körperlichen Gebrechen.“

    Evangelische Kirche Bad Wörishofen, Kneipp im Allgäu

    Lichtspiele im Park von Bad Wörishofen

    Die Autoren

    Susanne Baade und Dirk Lehmann

    Im Expeditionsschiff in die Antarktis und per Helikopter über Australien, Wanderung zu einem Kloster in Nepal und Besuch im Luxushotels in Paris, Trekkings durch Kanada und Achtsamkeitsübungen im Allgäu – zu reisen, zu fotografieren, die Welt zu erzählen: Das ist unser Beruf, unsere Berufung. Lange haben wir als Redakteure namhafter Magazine im Hamburger Verlag Gruner+Jahr gearbeitet, seit einigen Jahren berichten wir nun für das Allgäu aus dem Allgäu. Hier haben wir besondere Menschen kennen gelernt, faszinierende Momente erlebt und eine Natur, die uns immer wieder begeistert. Wir sind dankbar für jedes dieser Abenteuer. Und dafür, dass Sie uns begleiten! Susanne&Dirk

    Mehr zu Susanne und Dirk auf ihrer Website.