Sechs achtsame Geheimtipps für Oberstdorf

Wir präsentieren achtsame Geheimtipps für Oberstdorf. Ein Tal, in dem Zeit still zu stehen scheint, ein Café, das mit Klischees bricht, und eine Expedition zur Erbsensuppe – 6 Tipps für Oberstdorf.

    TIPP 1: Auf zwei Brettern in die Zeit – Langlauf im Rohrmoos

    Wenn man alte Fotos von diesem Tal sieht, verblüfft es, wie wenig es sich in den vergangenen 100 Jahren verändert hat. Und wenn man im Winter kommt, scheint die Zeit vollkommen still zu stehen. Da Rohrmoos nur über eine Mautstraße erreichbar ist, und da es hier auch keine Liftanlagen gibt, hat sich dieser Ort eine bemerkenswerte Ruhe bewahrt. Das war uns schon bei der Ankunft aufgefallen. Am Nachmittag ist die Wirkung noch eindrücklicher. Still ragen die Hänge auf. Hoch über uns zwei große Greifvögel.

    Wir kommen zurück von einer Langlauf-Tour in die Bergwelt um 1.000 bis 1.200 Meter Höhe. Marie hatte den Ort vorgeschlagen. Sie bewegt sich recht gut auf den schmalen Ski, wir sind Anfänger. Die mittelschwere Loipe hat uns zwar an einigen Stellen gefordert, sorgte aber auch für Glücksmomente. Jetzt versinkt die Sonne zwischen zwei Bergflanken – und taucht die Tannen in goldenes Licht. Wir gehen vorbei an der ältesten Holzkapelle Süddeutschlands mit ihren schönen Malereien und der plastischen Darstellung des jüngsten Gerichts. Und betreten den Berggasthof. Auch hier herrscht eine Stimmung, die sich nachhaltig unterscheidet vom Wahnsinn, mit dem sich die Welt um sich selbst dreht. Es tut gut. Wir bestellen zwei Helle.

    Vegane Köstlichkeit – Schokomandelkuchen im Café Mandala

    Kaffee und Kuchen im Cafe Mandala: Vegane Köstlichkeit – Schokomandelkuchen im Café Mandala

    TIPP 2: Yoga, Mittagstisch, viel Geschmack - Café Mandala

    „Döner Bowl“ steht heute auf der Mittagskarte. Und wird durchgestrichen, nach dem wir die letzten beiden bestellt haben. Aus. So geht es im Café Mandala von Anfang an. „Wir waren selbst nicht sicher, ob ein veganes Lokal hier funktionieren würde“, sagt Aimée Speiser. Die Klischees über die Speisevorlieben im Allgäu sind bekannt. Aber es sind dann eben doch vor allem Klischees. Aimée sagt: „Die Menschen in Oberstdorf sind neugierig. Seit wir eröffnet haben, ist unser Mittagstisch sehr beliebt. Wir sind fast täglich ausverkauft.“

    Ein hübsches Ladenlokal ganz nah am Zentrum von Oberstdorf. Der Raum, der auch für Yoga-Stunden genutzt wird, ist groß, hell, freundlich eingerichtet – mit Pflanzen, Blumen, bunten Kissen auf den Fensterbänken, schwarzen Tafeln, auf denen mit Kreide die Produkte des Tages angepriesen werden: Rosenheidesandgebäck, Kirschstreusel, Bananabread, Cappuccino, Smoothies Green or Red. Nahezu alles im Café Mandala ist selbst gemacht. Daniela Speiser, gelernte Konditorin, hat sich der Herausforderung gestellt, den Geschmack und die Qualität der Speisen an den Küchenstil anzupassen. Denn alles ist vegan. „WTF! Auch die Döner Bowl?“ Aimée und Daniela lachen. Ja, auch die. „Und die Mousse au Chocolat-Tarte?“ Lachen. Die ist nicht nur vom Geschmack her perfekt, sondern auch von der Konsistenz. Ein leckerer Beitrag zu den Herausforderungen unserer Zeit. Denn wer von Zeit zu Zeit auf Fleisch verzichtet, leistet auch einen Beitrag zu den Klima-Zielen des Landes.

    Aimée und Daniela Speiser betreiben sehr erfolgreich das Café Mandala

    TIPP 3: Grandiose Landschaft mit Highlight – Stuibenfall

    Wir lieben Orte, die sich nicht sofort preis geben, sondern die man sich erarbeiten muss. Der Stuibenfall ist so ein Ort. Die schöne Wanderung ab Oberstdorf ist gut ausgeschildert, der Weg führt durch das Oytal und entschädigt für jede einzelnen Schritt. Die Landschaft ist abwechslungsreich, grandios. Und eines ihrer Highlights – der Stuibenfall – präsentiert sich erst spät. Man ahnt den Wasserfall an der Nebelwolke, die von ihm aufsteigt. Diesem Stieben verdankt er seinen Namen: Stuibenfall. Und dann steht man plötzlich davor. Manche mögen es, die Füße im eisigen Wasser schock-zu-frosten. Eigentlich aber lädt dieser Ort ein, den Moment zu genießen. Das nie endende Tosen, der Sound der Natur, die Wucht und Schönheit des Wassers. Es ist die Kraft allen Lebens. Wir machen uns auf den Rückweg.

    TIPP 4: Expedition mit Erbsensuppe – Tiefschneewanderung zur Hochleite

    „Ach, das hört gleich auf“, sagt Thomas Dempfle während er den Sitz der Schneeschuhe an unseren Füßen kontrolliert. Es hat heftig angefangen zu schneien. Beim Start unserer Tour bleiben wir dicht an den Vorausgehenden dran, um uns nicht aus den Augen zu verlieren. Eine Schneeschuhwanderung wie eine Expedition. Dann tritt ein, was unser Guide prognostiziert hat, langsam lässt der Schneefall nach. „Ist ordentlich was runter gekommen“, sagt Thomas. Für unsere Tour müssen wir uns in kurzen Abständen an der Spitze abwechseln. Denn wer vorne geht, um die Spur zu bahnen, stellt schnell fest, wie anstrengend es ist, im Tiefschnee zu gehen.

    Plötzlich reißt der Himmel auf, und die Berge glitzern

    Aber auch wie großartig! Mehr als zwei Stunden sind wir unterwegs. Wir passieren Waldstücke, springen über Bäche, sehen Wild, kommen an einer Hütte vorbei, die nur mit dem First und dem Schornstein aus dem Schnee ragt. Plötzlich reißt der Himmel auf, die Sonne dringt durch die Wolken. Die Berge glitzern. Übermütig laufen wir kleine Kringel in den Tiefschnee, lassen uns zu Schneeengeln fallen, genießen die unfassbare Abgeschiedenheit in einer traumschönen Berglandschaften. Wir. Jetzt. Hier. „Kommt“, sagt Thomas, „lasst uns eine Erbsensuppe essen gehen!“ Mehr Glück kann ein solcher Tag gar nicht bieten.

    Eine Schneeschuhwanderung wie eine Expedition, wir bahnen uns den Weg durch den Neuschnee

    Schneeschuhwandern in Oberstdorf im Allgäu : Ganz schön anstrengend im frischen Schnee zu laufen, Berg-Guide Thomas Dempfle geht voran

    Frisch gepudert – Schneeschuhwanderung in Oberstdorf

    Einkehr im Gasthof Hochleite

    TIPP 5: Wo Riesen Mikado spielen – der Christlessee

    Ein funkelndes Grün, als läge ein gewaltiger Edelstein im Schnee, ein Smaragd oder Malachit. Selbst im Winter überrascht das Wasser des bei Oberstdorf gelegenen Christlessees, denn es gefriert nicht. Auch bei größter Kälte nicht. Erst dunkel-, dann hellgrün. Je näher man kommt, desto leuchtender und klarer liegt der See da. Einige Baumstämme liegen kreuz und quer auf dem Grund. Als würden Riesen hier Mikado spielen. Und all das – das grüne Funkeln, das klare Wasser, die bleich in der Tiefe liegenden Bäume – geben dem See eine mystische Aura. So soll hier ein seltsam gekleideter Mann, angeblich aus Murano stammend und deshalb „Venedigermännle“ genannt, Rohstoff für Glas geborgen haben. Heute weiß man, dass Karstquellen am Grund des kristallklaren Sees für eine beständige Wassertemperatur von 4 bis 6 Grad sorgen. Ein Blesshuhn paddelt dahin.

    Tiefgrüner Christlessee mit Ente

    Friert im Winter nicht zu, der Christlessee in Oberstdorf

    TIPP 6: Viel mehr als fünf Sterne plus – der Himmel über Oberstdorf

    „Und, bist du bereit?“
    „Kleinen Moment noch. Ich kann den Schuh nicht finden. Verdammt!“
    „Psst, poltere doch nicht so laut.“
    „Haha, du meinst, sonst wecken wir zwei Verrückten noch unsere Zimmernachbarn auf…“


    1 Uhr nachts in unserem Hotel in Oberstdorf. Während um uns herum alle schlafen – und man schläft hier wirklich sehr gut – hat bei uns der Wecker geklingelt. Kurzer Blick aus dem Fenster. Der Himmel ist perfekt! Und jetzt ziehen wir uns langsam an. Zugegeben, es fällt uns nicht ganz leicht, mitten in der Nacht aufzustehen. Wann haben wir so etwas zuletzt gemacht? Aber der Plan ist, in diesem Urlaub etwas zum ersten Mal zu tun. Und wo sonst kann man die Sterne so gut sehen? Der Nachthimmel über Oberstdorf ist beeindruckend klar, die Lichtverschmutzung so gering, dass es genügt, einen kleinen Spaziergang zu machen. Und dann sitzen wir auf einer Parkbank. Mitten in der Nacht. Über uns spannt sich das Firmament. Großer Wagen, kleiner Bär, Cassiopeia, der Gürtel des Orion. In der Stille hört man das Rauschen der Wasser, das leise Wispern der Blätter in den Bäumen, hin und wieder bellt ein Hund. Wir genießen die Ruhe, die Augen gen Himmel gerichtet. Über uns gefühlt Millionen Sterne – Wissenschaftler haben ermittelt, dass es etwa 3.000 sind –, ungezählte Satelliten und einzelne Sternschnuppen. Mit rund 108.000 Km/h rasen wir durch das All.

    Nachthimmel über dem Freibergsee. © Eren Karaman, Tourismus Oberstdorf

    Die Autoren

    Susanne Baade und Dirk Lehmann

    Im Expeditionsschiff in die Antarktis und per Helikopter über Australien, Wanderung zu einem Kloster in Nepal und Besuch im Luxushotels in Paris, Trekkings durch Kanada und Achtsamkeitsübungen im Allgäu – zu reisen, zu fotografieren, die Welt zu erzählen: Das ist unser Beruf, unsere Berufung. Lange haben wir als Redakteure namhafter Magazine im Hamburger Verlag Gruner+Jahr gearbeitet, seit einigen Jahren berichten wir nun für das Allgäu aus dem Allgäu. Hier haben wir besondere Menschen kennen gelernt, faszinierende Momente erlebt und eine Natur, die uns immer wieder begeistert. Wir sind dankbar für jedes dieser Abenteuer. Und dafür, dass Sie uns begleiten! Susanne&Dirk

    Mehr zu Susanne und Dirk auf ihrer Website.