Hildegard war die dritte Frau Karls des Großen. Und auch der war, wie wir wissen, ein echter Wellness-Fan. Doch vor allem wirkte sich die Frömmigkeit seiner Frau aus auf die Entwicklung der Stadt. Das Kloster wurde stark und mächtig, so dass sich Kempten – in dieser Schreibung tritt der Name nach 1300 auf – dem Besucher als Doppelstadt präsentierte: auf der einen Seite der Iller das Kloster mit seinen Gebäuden, auf der anderen die weltliche Siedlung. In einem unglaublichen Kraftakt gelang es den Menschen damals, den Lauf des Flusses zu verlegen. Seit dem 14. Jahrhundert umfließt die Iller östlich die Stadt. Und es wuchs zusammen, was zusammen gehörte.
Dies ist ungefähr die Zeit, in der wir jetzt stehen, hier unten in der Erasmuskapelle. Wo viele Menschen leben, sterben auch viele. Der Friedhof Kemptens musste erweitert werden, eine Kapelle entstand. Im Obergeschoss wurden die Messen abgehalten, das Untergeschoss diente als Beinhaus. Die Erasmuskapelle teilte das Schicksal vieler Stadtgebäude, immer wieder wurde sie durch Brände beschädigt. Erneut aufgebaut, verändert. Vergrößert. Umgewidmet. Und es ist erstaunlich, wie sehr die Menschen sich heute manchmal schwer tun damit, dass ein einst dem Glauben dienender Ort weltlich wurde, damals war das gang und gäbe. Die katholische Kapelle fiel nach der Reformation an die Stadt und wurde zum Leinwandschauhaus umgewandelt, zu einem Ort, an dem man die Qualität gewebter Stoffe prüfen konnte.