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Allgäu GmbH, Andi Mayr

Sommerfrische und Direktvermarktung

Mutterglück ist etwas ganz Besonderes – auch für die Kühe auf dem Wannenhof Schneid in Kindberg bei Haldenwang. Einträchtig grasen sie mit ihren Kälbchen auf der Weide. Warum das so besonders ist und was das mit Milch und Fleisch zu tun hat, erfahren wir vor Ort.

    Für ein paar Minuten sperrt Andreas Schneid die Durchfahrt in Kindberg, damit seine Herde gemütlich vom Stall auf die Weiden laufen kann. Immer wieder bleibt eine Kuh stehen, dreht sich um und ruft laut nach ihrem Kalb, das weiter hinten in der Menge erscheint. Schließlich sind alle im Grünen, blau-weißer Himmel über ihnen, die Kälber jucken übermütig in die Luft.

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    Die Herde vom Wannenhof auf dem Weg zur Weide

    Allgäu, grüne Wiesen, Kühe… da denkt man sofort an hochwertige Milch und leckeren Käse, für die die Region bekannt ist. Darüber wird oft ein weiteres Genussprodukt vergessen, das Allgäuer Weiderindfleisch, und vor allem das Kalbfleisch. Dabei lohnt es sich, genau hinzuschauen und zu differenzieren. Milch und Fleisch sind nämlich durchaus ein sehr gutes Team, wie uns Andreas Schneid auf seinem demeter-Hof in herrlicher Lage erklärt. Und schon sind wir mitten drin in einem sehr vielschichtigen Thema, das oft hitzige Diskussionen auslöst. 

    Fakt ist: Damit die Kuh Milch gibt, bringt sie jedes Jahr ein Kalb zur Welt. Doch nicht alle können auf dem Hof bleiben, das würde jegliche Kapazitäten sprengen. So wie die Natur die Herde auf natürliche Weise dezimieren würde, so werden Kälber im Alter von vier bis sechs Monaten auf dem Wannenhof geschlachtet und direktvermarktet. Doch bis zu diesem Zeitpunkt möchte Andreas Schneid den Tieren ein artgerechtes, optimales Leben ermöglichen – im Gegensatz zu Betrieben, die ihre Kälber nach nur wenigen Wochen in die konventionelle Mast außerhalb unserer Region abgeben. 

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    Kühe und Kälber dürfen zusammen auf die Weide.

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    Kühe und Kälber dürfen zusammen auf die Weide.

    Vor zehn Jahren hat sich der Landwirt – als einer der ersten Höfe im Allgäu – deshalb bewusst anders entschieden, zunächst für die ammengebundene, mittlerweile hauptsächlich für die muttergebundene Aufzucht. Die trächtigen Kühe dürfen sich in eine separate Box zurückziehen, um ihr Kälbchen in Ruhe zur Welt zu bringen. Das Besondere: Beide dürfen nach der Geburt zusammen bleiben, erst ein paar Tage im Stall, dann auf der Weide. Dort sind sie anfangs noch von der Herde separiert, damit die erste Prägung stattfinden kann. Später kommen sie zur Herde hinzu. Auch ein Stier ist dabei, ein ganz normaler Familienverbund also.

    Jeden Morgen kommen alle Tiere zum Melken in den Stall. Auch die Mutterkühe werden gemolken, danach darf das Kalb an das Euter. „Das Kleine zutzelt den Rest aus, der Ausmelkgrad ist super. Die Natur ist viel besser als die Melkmaschine. Über Tag trinkt das Kalb die produzierte Milch bei seiner Mutter. Damit spart man sich das Melken am Abend“, lacht der 37-Jährige, während sich ein Kälbchen an ihn schmiegt und sich kraulen lässt. Auch die Tageszunahme der Kälber sei höher, da sie nach dem Motto „all you can drink“ leben dürfen. Dafür falle der Fettanteil in der abgelieferten Milch geringer aus. Die Kälber würden viel schneller Raufutter fressen und seien sozial kompetenter. Aus eigener Erfahrung kennt Andi Schneid hier jedes Detail, schließlich hat er darüber seine Meisterarbeit geschrieben.

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    Andreas Schneid mit seinen Tieren auf der Weide

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    Im Mai 2022 hat er mit seiner Partnerin Nadine den Hof von Senior Josef Schneid übernommen.

    „Natürlich müssen wir auch wirtschaftlich denken. Im Vergleich zu konventionellen Höfen mit Hochleistungskühen ab 8000 Liter jährlich gibt eine Kuh bei uns im Schnitt 5000 Liter Milch pro Jahr. Das Kalb trinkt brutal viel Milch, nämlich 1200 Liter in vier Monaten. Die fehlt uns wiederum bei der Milchproduktion. Dadurch sind die Kosten dieser Art der Haltung deutlich höher. Aber mittlerweile rechnet sich fast jedes unserer Kälber auch wirtschaftlich durch die Direktvermarktung.“ Auf der anderen Seite steht für Andreas Schneid aber das Aufwachsen bei der eigenen Mutter und im Herdenverbund. Ein nicht schätzbarer Wert, der für den Landwirt aber ein großes Gewicht hat. „Zum Vergleich: Für ihren Hund tun die Leute alles. Doch auch mit unseren Nutztieren sollten wir respektvoll und verantwortungsbewusst umgehen. Das System Milch ist für mich ausbeuterisch, das Kalb sollte dabei eine größere Rolle mit mehr Wertschätzung spielen. Wir denken daher ganzheitlich.“ So wie es früher, vor der Spezialisierung der Betriebe ausschließlich auf Mast oder Milchwirtschaft, ganz gewöhnlich war.

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    Derzeit leben 36 Kühe mit ihren 17 Kälbern, 15 Schumpen und Kalbinnen als Nachwuchstiere sowie ein Ochse auf dem Wannenhof. Damit ist das Limit erreicht.

    Der Kreislauf ist für den Landwirt wichtig: Seine horntragenden Kühe fressen nur Heu und Gras von den umliegenden Wiesen, auf Kraftfutter wird verzichtet. Von Frühjahr bis Herbst ist die Herde Tag und Nacht draußen, im Winter im Laufstall. Fünf bis sieben Kälber bleiben jedes Jahr auf dem Hof zur Nachzucht als Milchkuh, nur sie bekommen einen Namen. Alle anderen Kälber sind über die gelben Ohrmarken zu identifizieren. Diese werden nach vier bis sechs Monaten stressfrei direkt auf dem Wannenhof geschlachtet und von einem Metzger in Niedersonthofen verarbeitet. Im Schnitt passiert das alle vier Wochen, pro Jahr sind das 30 bis 36 Kälber sowie zwei bis drei Rinder.

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    Die Kälber sind fester Bestandteil des Hof-Kreislaufs

    Die Direktvermarktung ist somit ein wichtiger Teil dieses Kreislaufes: Rund um die Produktion sind Andreas und seine Partnerin Nadine gute drei Tage damit beschäftigt, Kunden per Mail anzuschreiben, Bestellungen aufzunehmen, den Abholtermin mitzuteilen. „Bei uns gibt es keine fertigen Pakete. Wir verpacken das Fleisch selbst, nach den individuellen Wünschen unserer Endkunden oder Gastronomie-Betriebe. Sie holen ihre Ware am Hof ab. Wir versuchen, alle Teile zu verwerten. Mittlerweile haben wir unsere Abnehmer, selbst für Innereien oder Zunge als Delikatesse. Auch Wurst lassen wir herstellen. Die gibt’s in Dosen in unserem Wannen-Lädle. Pro Jahr werden vier Felle gegerbt“, erzählt Andreas Schneid.

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    Das Wannen-Lädle hat immer geöffnet. Hier gibt’s Käse, Wurst, Joghurt, Butter und Eis. Bezahlt wird über die Vertrauenskasse. Die Produkte stammen von den Demeter HeuMilch Bauern süd.w.V., ein Zusammenschluss von 40 Demeter-Heumilchbauern, die ihre Milch gemeinschaftlich an verschiedene Molkereien vermarkten.

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    Produkte im Wannenlädle: Landjäger und Kalbs-Leberwurst

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    Diese direkte Vermarktung von Milch und Fleisch ab Hof sowie eine gute Balance der beiden typischen Allgäuer Produkte – das gelingt Familie Schneid vom Wannenhof bestens. Dank großem inneren Antrieb, viel Arbeit voller Leidenschaft und der absoluten Überzeugung, das Richtige zu tun.

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    Vollzeit-Job voller Leidenschaft: Andreas und Nadine mit ihren Töchtern Anna und Ida.

    • Info-Kasten: Ernährungsökologie Milch und Fleisch

      Regionale, nachhaltige Ernährung beinhaltet Milch und Fleisch. Denn Rinder, Schafe und Ziegen verwandeln nicht essbares, für Klimaschutz und Artenvielfalt aber unverzichtbares Grünland in Milch und Fleisch. Damit Kälber in der Region aufgezogen, gehalten und gemästet werden können, sollte auch das Allgäuer Weiderindfleisch verzehrt werden. Als Faustzahl gilt: Pro Liter Bio-Milch sind das 25 Gramm Bio-Rindfleisch. Mit dem Verzehr von durchschnittlich 17 Gramm Bio-Rindfleisch oder rund 0,5 Liter Milch aus Grünlandfütterung wird die Bewirtschaftung von einem Quadratmeter Grünland ermöglicht. (Quelle: Mück, Ulrich: Wiesen & Weiden in den Warenkorb! Kritischer Agrarbericht 2023) Mehr Infos dazu unter: www.milch-und-fleisch.de.

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    Wochenbett im Stroh: 10-14 Tage bleiben die beiden in einer separaten Box oder Weide. Die Kuh lernt, wie ihr Kalb riecht. Das Kalb lernt, wie ihre Mutter ruft. Das prägt.

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    Durch den Herdenverbund werden die Kleinen sehr gut sozialisiert. @Andi

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    Zum Wannenhof gehören 50 Hektar Grünland, das Familie Schneid seit 1989 nach den Demeter-Richtlinien bewirtschaftet.

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    Milchkühe im Alter von 12-13 Jahren kommen in eine separate Gruppe und werden nicht mehr gemolken. Dort dürfen sie mit ihrem Kalb oder als Amme den Ruhestand genießen.

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    Kuh-Patenschaften: Für die muttergebundene Aufzucht ihrer Kälber vergibt Familie Schneid Patenschaften. Die offiziellen Urkunden hängen in einer Art Galerie im Stall

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    Zutraulich und neugierig untersucht das Kälbchen die Hand von Andreas Schneid

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    Der Wannenhof bei Haldenwang @Andi Mayr

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    Milch und Fleisch gehören zusammen

    Portrait Silke Lorenz
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    Silke Lorenz

    Die Autorin

    Silke Lorenz

    Von Franken über Niederbayern und Baden ins Allgäu, von Tageszeitungen und Verlagsarbeit über Frauenmagazine zur freien Journalistin: Seit über zehn Jahren bin ich jetzt im Oberallgäu daheim und entdecke immer aufs Neue tolle Menschen, alte Handwerkskünste, faszinierende Orte – und immer wieder sprachliche Schätze im Allgäuer Dialekt, die mein Germanisten-Herz erfreuen :-). Ich hoffe, Sie haben genauso viel Spaß beim Lesen meiner Geschichten wie ich beim Recherchieren derselbigen. Frohes Schmökern!

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