Das Kunstwerk „Füssener Totentanz“ in Füssen im Allgäu bestehend aus 20 Bild-Tafeln
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Allgäu GmbH, Susanne Baade

Das Leben feiern: der Füssener Totentanz

Wir machen uns auf den Weg, erkunden die Städte des Allgäus in Rund- und Spaziergängen, Betrachtungen und Gesprächen. Wir? Zwei erfahrene Reisejournalisten, die ihrer Sammlung an Länderpunkten einen weiteren hinzufügen – das Allgäu. Besuch beim Füssener Totentanz

    Das Kunstwerk Füssener Totentanz findet man in Füssen im Allgäu
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    Allgäu GmbH, Susanne Baade

    Wegweiser zum Füssener Totentanz

    Es gab eine Zeit, da war er allgegenwärtig – der Tod. Zwischen 1346 und 1353 starben in Europa mindestens 25 Millionen Menschen an den Folgen der Pest. Andere Historiker gehen gar davon aus, dass die Hälfte der damals etwa 60 bis 80 Millionen Menschen umfassenden Bevölkerung Europas dem Schwarzen Tod zum Opfer gefallen sind. Und der machte keine Unterschiede. Egal ob arm oder reich, ob jung oder alt, ob König oder Priester – der Tod bat jeden zum Tanz. Zum letzten Tanz. Und davon erzählen diese Gemälde.

    "Sagt Ja, Sagt Nein, Getanzt Muess sein."

    Füssener Totentanz

    In der St.-Anna-Kapelle des ehemaligen Benediktinerklosters St. Mang hängen 20 Bild-Tafeln, die als „Füssener Totentanz“ zu den bekanntesten ihrer Art weltweit zählen. 20 Begegnungen mit dem Tod. In Auftrag gegeben wurde das Werk im Jahr 1599 vom Abt des Klosters beim sonst kaum bekannten Maler Jakob Hiebeler. Der lieferte den Totentanz im Herbst 1602. Es ist eine Allegorie vom Sterben. Der Tod, ein bleicher Knochenmann, der manchmal ein weißes Tuch trägt wie eine Tunika, lässt sich nicht bestechen, nicht abwimmeln, nicht beeindrucken.

    In der St.-Anna-Kapelle erzählen 20 Tafeln von der Begegnung mit dem Tod
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    In der St.-Anna-Kapelle erzählen 20 Tafeln von der Begegnung mit dem Tod

    Altar in der St. Anna Kapelle in Füssen im Allgäu
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    Altar in der St. Anna Kapelle in Füssen im Allgäu

    Der Knochenmann – im weißen Leichenschal – betanzt alle: vom Edel- bis zum Bettelmann
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    Der Knochenmann – im weißen Leichenschal – betanzt alle: vom Edel- bis zum Bettelmann

    Man muss sich in diese Zeit hineinversetzen, um das Werk zu verstehen. Im Mittelalter war der Tod tatsächlich ein ständiger Begleiter der Lebenden. Krankheiten, Kriege, Hunger, Schwangerschaft, eine enorme Säuglingssterblichkeit – die durchschnittliche Lebenserwartung lag für Frauen bei 24 bis 25 Jahren, für Männer bei 28 bis 32 Jahren. Hatte man das gefährliche erste Lebensjahr überstanden, konnte man allerdings mehr als 40 Jahre alt werden. Bis weitere Gefahren drohten. Altersarmut, Zahnfäule und vieles mehr. Für die einfachen Stände war das Leben besonders hart…

    Füssener Totentanz: Auch der Künstler weiß, dass er tanzen muss…

    Doch der Tod, das ist die Aussage dieses Gesamtkunstwerks über 20 Bildtafeln, betanzt alle Opfer ohne Unterschied. Und so gilt das Bild auch als unverhohlene Obrigkeitskritik. Denn besonders den Reichen und Mächtigen tritt der bleiche Knochenmann in seinem durchscheinenden Leichenschal nicht nur unerbittlich entgegen, sondern gar hämisch. Und im letzten Bild spricht er den Maler direkt an: „Jacob Hiebeler laß daß mahlen stohn, Wirff bensel hin du muest darvon.“ Hiebelers Antwort ist gleichsam die Signatur des Werks: „Ich hab gemaltt den todtten tantz, Mueß auch in spil, sonst werß nit gantz.“

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    „O Junckfrau schau dein rotter mundt…“ Auch vor der Schönheit macht er nicht halt

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    Während wir heute wissen, dass der Künstler erst 16 Jahre nach der Vollendung seines berühmtesten Werkes stirbt, bleibt das Motiv des Auftraggebers ungelöst: Spürte er das eigene, herannahende Ende? Denn kurze Zeit nachdem das Bild fertig gestellt war (und mit wohl 140 Gulden bezahlt wurde), bittet der Tod den Abt zum Tanze. Für uns heute sollte der Füssener Totentanz nicht nur als Warnung dienen, dass das Ende jederzeit kommen kann. Wir sollten das Kunstwerk vor allem als Aufforderung verstehen – das Leben in all seiner Einfachheit und Schönheit zu genießen.

    Blick auf Füssen im Allgäu von der St. Anna Kapelle
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    Die Autoren

    Susanne Baade und Dirk Lehmann

    Im Expeditionsschiff in die Antarktis und per Helikopter über Australien, Wanderung zu einem Kloster in Nepal und Besuch im Luxushotels in Paris, Trekkings durch Kanada und Achtsamkeitsübungen im Allgäu – zu reisen, zu fotografieren, die Welt zu erzählen: Das ist unser Beruf, unsere Berufung. Lange haben wir als Redakteure namhafter Magazine im Hamburger Verlag Gruner+Jahr gearbeitet, seit einigen Jahren berichten wir nun für das Allgäu aus dem Allgäu. Hier haben wir besondere Menschen kennen gelernt, faszinierende Momente erlebt und eine Natur, die uns immer wieder begeistert. Wir sind dankbar für jedes dieser Abenteuer. Und dafür, dass Sie uns begleiten! Susanne&Dirk

    Mehr zu Susanne und Dirk auf ihrer Website.