Die Macht der Bewegung: Spaziergänge und mehr

Lange vor dem ersten Fitness-Boom hat Sebastian Kneipp erkannt, dass es dem modernen Menschen an etwas mangelt – an Bewegung. Er plädierte vor allem für das „draußen sein“. Heute weiß man, „Sitzen ist das neue Rauchen“. Wie Kneipp-Experten für Motivation sorgen.

    Kabel und Schläuche, ein Ergometer und ein Laptop, der Monitor zeigt Werte und sich ständig ändernde Kurven – Wattzahlen, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung. Moderne Leistungsdiagnostik würde man wahrscheinlich am wenigsten mit der 150 Jahre alten Lehre Sebastian Kneipps in Verbindung bringen. Doch im Bad Clevers Gesundheitsresort und Spa herrscht ein anderer Geist. Franz Angerer war selbst aktiver Sportler, hat als Trainer Leistungssportler betreut und nennt sich Kneippianer. „Man kann sagen, ich lebe Kneipp“, sagt Angerer. „Was wir hier machen, ist nichts anderes als eine zeitgenössische Anpassung. Damals hat man Ziegelsteine gestemmt, wir arbeiten mit Gewichten oder Cattle Bells. Und wir nutzen moderne Technologie.“

    Wunderbar eingebettet in ein Waldgrundstück liegt das traditionsreiche Kneipp-Resort in Bad Grönenbach. Es versteht sich, trotz der High-Tech-Abteilung, nicht als Sportakademie. In dem Familienbetrieb werden alle fünf Säulen nach Kneipp gelebt. „Wir bieten dem interessierten Gast aber auch die Möglichkeit, sich gezielt weiter zu entwickeln“, sagt Franz Angerer. Und berichtet von einem interessanten Fall. Von einem Top-Manager und leidenschaftlichem Läufer, der sich für drei Wochen eingebucht hatte, um jeden Tag sieben Kilometer zu joggen. Doch dann verletzte er sich und wollte enttäuscht abreisen. „Ich konnte ihn überreden, zu bleiben und eine Kamera zu kaufen, um damit durch die Natur zu streifen. Der Mann entwickelte eine solche Leidenschaft – und fand so eine andere, aber sehr erfüllende Form der Bewegung.“

    Hat nicht Jane Fonda die Aerobic erfunden, sondern ein Allgäuer?

    Für Sebastian Kneipp war Bewegung vor allem „draußen sein“. Nur für den Fall, dass es gar nicht anders möglich sei, schien ihm auch eine sportliche Einheit im geschlossenen Raum geeignet. Hat also nicht Jane Fonda die Aerobic erfunden, sondern Kneipp? Er setzte auf den Spaziergang an frischer Luft, das stärke das Immunsystem. Gymnastik und Fitness tragen weiter dazu bei. „Es geht nicht um Leistungssport“, sagt Andreas Eggensberger und wuchtet sich im Klimmzug am bunten, schon ein wenig verwitterten Klettergerüst eines Spielplatzes hoch. „Fünf, seeeeechs, ssieben!“ Er lässt sich ab und schnauft aus. Der Inhaber des Bio Hotels Eggensberger am Hopfensee ist nicht unzufrieden mit sich. „Natürlich geht immer mehr“, sagt er, „aber für einen Mann in meinem Alter bin ich ganz gut dabei. Und um diese Vitalität geht es uns.“

    Wie hat er es geschafft? Irgendwann habe er mit Freunden zusammen gesessen, dabei sind sie auf das Thema Fitness gekommen. „Salopp formuliert: Wir haben uns eingestanden, dass wir ganz schön schlapp geworden sind. Und dazu, wie man es wohl täglich in vielen Runden so macht, mit einem Hellen angestoßen.“ Er lacht. Doch dann habe einer von ihnen angefangen, was dagegen zu tun. Und die Männerrunde hat sich zum Laufen verabredet. „Drei Mal in der Woche sind wir zusammen um den See. Vor der Arbeit, morgens um 6 Uhr.“

    Erst war es Überwindung, dann wurde das Laufen zum Ritual

    Sieben Kilometer misst der Rundweg um den Hopfensee. Anfangs war das Laufen eher ein Gehen und kostete Überwindung. Bald aber wurde es zu dem, was die Säulen nach Kneipp im Idealfall ausmacht – Teil des Alltags zu sein, ein Ritual. Die Woche war keine Woche, wenn man nicht drei mal gelaufen ist. „Das Wetter war uns egal“, Eggensberger lacht, „wir sind auch bei Regen raus.“ Der Blick auf die Laufstrecke macht neidisch. Malerisch liegt der See, Boote dümpeln an ihren Stegen, ein Schwanenpaar zieht vorbei, an einem der Gipfel hängt keck eine Wolke. Wohl dem also, dessen Fitness-Areal dieser wundervolle Flecken Erde ist? Andreas Eggensberger nickt. „Es macht schon was aus, wo man läuft. Keine Frage. Ich sehe es aber auch so: Wohl dem, der jemanden hat, der einen animiert.“

    Boote am Hopfensee.

    Die Autoren

    Susanne Baade und Dirk Lehmann

    Im Expeditionsschiff in die Antarktis und per Helikopter über Australien, Wanderung zu einem Kloster in Nepal und Besuch im Luxushotels in Paris, Trekkings durch Kanada und Achtsamkeitsübungen im Allgäu – zu reisen, zu fotografieren, die Welt zu erzählen: Das ist unser Beruf, unsere Berufung. Lange haben wir als Redakteure namhafter Magazine im Hamburger Verlag Gruner+Jahr gearbeitet, seit einigen Jahren berichten wir nun für das Allgäu aus dem Allgäu. Hier haben wir besondere Menschen kennen gelernt, faszinierende Momente erlebt und eine Natur, die uns immer wieder begeistert. Wir sind dankbar für jedes dieser Abenteuer. Und dafür, dass Sie uns begleiten! Susanne&Dirk

    Mehr zu Susanne und Dirk auf ihrer Website.