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Allgäu GmbH, Marc Oeder

Von Ritualen, Räuchern und heilsamem Schreiben

Was gibt uns Kraft und Orientierung, wenn unser Alltag uns schnelllebig, sich stetig wandelnd und herausfordernd erscheint? Was hilft uns dabei, innere Ruhe und Stabilität zu kultivieren?

    Dinge, zu denen wir immer wieder zurückkommen, können uns diesen Dienst erweisen. Jede Praxis, sei es Yoga und Meditation oder andere kontemplative Formen, lebt davon, dass wir immer wieder zurückkehren und immer wieder eine bestimmte Sache üben, kultivieren und praktizieren. Gewisse Dinge dabei gleich oder ähnlich tun und somit Routinen erschaffen. Das gibt uns ein Gefühl der Sicherheit und kann uns auf bewusste Weise in einen Flow Zustand versetzen. Routinen und Rituale kennen wir oftmals von Kindern. Dort erscheint es uns natürlich, dass es bestimmte Zu-Bett-bring-Rituale gibt. In unserer modernen Welt geht und als Erwachsenen manchmal der Bezug zu der Natürlichkeit alltäglicher Rituale verloren. Doch wenn wir unseren Alltag näher betrachten, finden wir bestimmte Routinen in ihm wieder. Immer gleich ausgeführte Handlungen, die wir jeden Tag machen. Routinen werden dann zu Ritualen, wenn wir eine Intention in sie hineingeben und uns bewusst machen, dass es eine stabilisierende Ordnung und eine tiefere Wirkung gibt.

    In diesem Artikel stelle ich zwei Möglichkeiten vor, um Rituale im Alltag zu unterstützen. Am Ende des Artikels findest du außerdem einen Vorschlag für ein kurzes Dankbarkeitsritual, das uns Freude und Mit-Freude kultivieren lässt.

    Räuchern

    Die Zähne putzen und duschen, das Geschirr abwaschen, die Wohnung sauber machen und den Müll regelmäßig leeren. Dies sind einige der gängigen Handlungen, die viele von uns vermutlich auf Anhieb mit dem Aspekt des Reinigens verbinden. Doch wie steht es eigentlich um die Reinigung und Klärung unseres Geistes und der Aspekte in unserem Leben, die wir nicht sehen, nicht greifen können? Die Meditation hilft uns mehr Klarheit in unseren Geist zu bringen. Das Räuchern kann uns dabei unterstützen, einen Raum zu reinigen und uns auf ein Ritual vorzubereiten oder einzustimmen. Dies kann etwa ein Feierabend Ritual sein, ein Ritual zu einem Abschluss und Neubeginn eines jeden Monats oder ein Dankbarkeitsritual.

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    Räuchern ist ein alter Brauch, der in unserer Region besonders im Rahmen der Rauhnächte und der Hausräucherungen bekannt ist, um zu reinigen und zu segnen. Geräuchert werden Harze, Hölzer und Kräuter. Der Art und Weise des Räucherns sind beinahe keine Grenzen gesetzt. Beim Räuchern ist es wichtig seinen eigenen Weg zu finden und das zu tun, was sich authentisch anfühlt. Es sollte ausgewählt werden, was wirklich Resonanz erzeugt. Sowohl was geräuchert wird, als auch wie geräuchert wird. Für die eine mag ein Räucherkegel oder ein Räucherstäbchen die genau perfekte Handhabung sein, eine andere möchte lieber über Feuer oder auf glühender Kohle räuchern, vielleicht sogar mit einer Feder den Rauch im Raum verteilen. Wichtig ist unabhängig von der Art und Weise des Räucherns, dass bei den Materialien auf gute Qualität und gerade bei einem Bezug aus dem Ausland auf eine faire und gesicherte Ernte und Verarbeitung geachtet wird. Wer gerne mit heimischeren Kräutern räuchern, vielleicht sogar selbst sammeln und trocknen möchte, kann im Laufe des Jahres nach Lavendel, Salbei, Wacholder oder Beifuß Ausschau halten. Auch die Nadeln der Kiefern lassen sich zum Räuchern verwenden, ebenso Blüten wie z. B. Rosenblüten. Auch Baumharze der Lärche, Fichte, Tanne oder Kiefer lassen sich gut zum Räuchern verwenden und in unseren Allgäuer Wäldern besonders in der Herbst- und Winterzeit sammeln. Dabei sollte sichergestellt werden, dass kein Baum und keine Pflanze verletzt wird und das Einsammeln des Harzes mit dem Waldbesitzer abgestimmt ist.

    Das Räuchern hilft uns dabei, den Raum zu klären und uns auf ein Ritual einzustimmen. Aus meiner Erfahrung hilft es, sich Schritt für Schritt heranzutasten und immer wieder zu schauen, was sich wirklich gut und authentisch anfühlt. Vielleicht gibt es in deinem Leben bereits bestehende Rituale, die du mit dem Räuchern noch unterstützen oder vertiefen kannst? Oder vielleicht kann das Erkunden der Welt des Räucherns dir einen Zugang in die Welt der Rituale geben? Die große Magie liegt oft in den kleinen Dingen, denen wir achtsam unsere Aufmerksamkeit schenken.

    Heilsames Schreiben

    So wie das Räuchern uns eine Tür in ein Ritual öffnen kann, so kann das Schreiben eine Möglichkeit sein, ein Ritual zu beenden. Vielen Menschen hilft es, in geschriebenen Worten zu reflektieren. Auch die kontemplative Praxis kann so vertieft werden. Wir können aufschreiben, was gewesen ist, was wir erlebt haben und wie wir uns dabei gefühlt haben. Etwas schriftlich festzuhalten, hilft uns dabei, etwas bewusst zu machen. Etwas Gedachtes hinterlässt eine andere Spur in uns als etwas Geschriebenes.

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    Wer in seinem Alltag noch keine persönlichen Schreibpraxis pflegt, kann z. B. mit einer regelmäßigen Dankbarkeitsliste anfangen. Ich nenne es für mich gerne Strom der Dankbarkeit, weil mir oft auffällt, dass aus drei Dingen, für die ich heute dankbar bin, ohne weiteres eine ganze Seite gefüllt werden kann. Dieses Dankbarkeitsritual hat nicht nur positive Auswirkungen auf unsere Sichtweise, sondern kann uns auch mit dem Schreiben vertraut machen.

    Mit dem heilsamen Schreiben bilden wir eine Brücke zwischen unserer Innenwelt und dem Sichtbaren. Was wir denken, fühlen, empfinden und wahrnehmen kann manchmal diffus sein und sich jenseits von Worten bewegen. Das Schreiben bildet eine weitere Verbindung zu unserer Innenwelt. Wir bringen in Worte, was in unserer Innenwelt besteht. Und natürlich kann dies auch über Worte hinaus gehen. Zeichnungen, Malereien oder nicht zusammenhängende Begriffe können genauso ein Ergebnis dieser Praxis sein. Da wir sie für uns machen, dürfen wir uns von Erwartungen und Vorstellungen an das Ergebnis lösen.

    Durch das persönliche Schreiben setzen wir uns mit uns und unserer Umwelt auseinander. Wir können entdecken, wie sich Dinge in uns wandeln. Wir erkennen Muster in uns. Wir lernen, was uns leicht fällt und wo wir herausgefordert sind. Wir bekommen ein Bewusstsein dafür, was uns gut tut und uns glücklich macht und was uns nicht gut tut oder uns sogar schadet. Es geht weniger darum, äußere Erfahrungen zu dokumentieren, wie wir es aus dem Tagebuch schreiben kennen, sondern wir setzen uns mit der inneren Erfahrung auseinander. In dem Reflexionsprozess, der über das Schreiben entsteht, können gezielte Fragen willkommene Türöffner sein. Wir können neue Perspektiven einnehmen und unseren Fokus positiv ausrichten. So entstehen sogar neue neuronale Verbindungen in unserem Gehirn, die sich positiv auf unser Glücksempfinden und unsere Gesundheit auswirken.

    Dankbarkeitsritual für den Abschluss eines Tages

    Was wir immer wieder visualisieren, verändert unseren Körper und unser Bewusstsein. Aus einer tiefen Dankbarkeit können wir Freude und Mit-Freude kultivieren. Großzügigkeit und eine wohlwollende Haltung dürfen sich in unserem Leben ausweiten. In diesem Ritual richten wir den Fokus auf die Dankbarkeit für das, was gerade ist. Durch diesen Fokus wird die Wahrnehmung für die kleinen und großen Geschenke des Lebens geschult. Diese Praxis lässt sich gut mit einer Schreibpraxis zur Reflexion und Innenschau kombinieren. Sie erinnert uns daran, wie simple Dinge große Wirkung entfalten können, wenn wir den Raum dafür öffnen.

    Mit diesem Ritual kannst du deinen Tag abschließen. Sollte ein tägliches Ritual momentan nicht in deinen Alltag passen, kannst du es auch als wöchentliches Ritual ausprobieren. Das Dankbarkeitsritual kann eine kurze 10-minütige Praxis sein oder ausgedehnt werden, wenn das besser zu dir und in deinen Tag passt.

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    Allgäu GmbH, Marc Oeder

    Such dir einen ruhigen Ort, an dem du dich für eine Meditation zurückziehen kannst. Nimm dir gerne etwas zum Räuchern dazu und verbinde dich mit dem Gedanken, dass du durch das Räuchern einen positiven Raum öffnen kannst und alles, was dir und diesem Raum gerade nicht mehr dienlich ist, nun gehen darf. Nutze deine Sinne, um den Duft wahrzunehmen und den Rauch zu beobachten. Wenn du das Räuchern abgeschlossen hast, schließe gerne deine Augen, wenn sich das gut anfühlt. Lasse alternativ deine Augen geöffnet und suche dir einen Punkt, den du unfokussiert und sanft betrachten kannst, als würdest du in die Weite schauen. Nimm deine Atmung wahr, wie sie deinen Körper sanft bewegt. Jede Einatmung schenkt dir etwas mehr Raum, mit jeder Ausatmung kannst du weich loslassen. Dein Körper darf sich lockern und in eine bequeme und aufgerichtete Haltung finden. Dein Geist darf entspannen und dein Herz sich öffnen und weich werden.

    Begib dich nun in einen intuitiven Strom von Dankbarkeit. Lass innerlich auftauchen, wofür du gerade dankbar bist. Es kann eine Sache sein oder mehrere. Kleine Aspekte oder größere. Etwas, dass sich auf dein ganzes Leben bezieht oder auch nur auf diesen Tag oder diesen Moment. Hülle dich ganz in diesen Strom der Dankbarkeit ein. Vielleicht mag sich dabei ein Lächeln, innerlich oder auf deinen Lippen, ausbreiten.

    Nimm wahr, wie sich diese Dankbarkeit in deinem Körper anfühlt. Und dann bring deine Aufmerksamkeit mehr und mehr zurück zu deinem Körper. Nimm den Boden unter dir wahr. Lass die Aufmerksamkeit wieder größer nach außen werden. Wenn du soweit bist, öffne deine Augen.

    Namasté.

    Nun nimm dir gerne dein Notizbuch zur Hand und schreibe deine Erfahrungen auf. Du kannst aufschreiben, wofür du dankbar bist. Vielleicht magst du das Schreiben auch erweitern und reflektieren, wie sich diese Meditation für dich angefühlt hat und was sie innerlich in dir bewegt hat.

    Portrait Julia Kupke
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    Julia Kupke

    Autorin

    Julia Kupke

    Auf meinem Weg zu mehr Klarheit, Freiheit und Frieden in mir selbst wurde in den letzten 15 Jahren aus einem Herzensthema ein professioneller Lebensweg.

    In unserem TreeHouse im Allgäu als auch international arbeite ich mit Gruppen in Trainings, Workshops und Retreats sowie in Einzelbegleitungen zu den Themen Achtsamkeit, Strala und Yin Yoga sowie innerer Arbeit und Persönlichkeitsentwicklung, um Menschen Möglichkeiten zu geben, sich selbst besser kennen zu lernen. Dabei gestalte ich gerne Räume und Reisen, in denen Menschen in die Verbindung mit sich selbst gehen und individuelle Antworten darauf finden, was für sie von Bedeutung für ihr Leben ist.

    Meine eigenen persönlichen Veränderungs- und Entwicklungsprozesse verwebe ich mit meinem breiten Aus- und Weiterbildungshintergrund, sodass eine pragmatische und authentische Arbeit entstehen darf, die Brücken zwischen Kopf und Herz sowie Theorie und Praxis bildet. Dabei dürfen immer wieder interdisziplinäre Projekte entstehen, durch die ich weitere Brücken bauen darf.

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