Ein Forst im Privatbesitz. Besuch auf Schloss Kronburg

Mehr als zwei Drittel des Allgäus sind von Wald bedeckt. Und in diesem Themenschwerpunkt nehmen wir euch mit auf eine faszinierende Reise. Sie führt uns auch zum Renaissanceschloss Kronburg auf einem 752 Meter hohen Hügel über dem Illerwinkel. Von hier geht der Blick weit über das Land – und auf einen Privatwald. Der sich den gleichen Herausforderungen stellen muss wie andere Wälder. Ein Besuch.

    Auf den ersten Blick sieht man es nicht. Weder, dass sich dieser Wald im Privatbesitz befindet, noch dass einige der Bäume krank sind. Kein Zaun schränkt den Besuch ein, im hübschen, heute von Sonnenlicht durchfluteten Wäldchen an der Buxach kann man genau so spazieren wie in den Staatsforsten des Allgäus. Und erst wenn man manche der zerlegten Stämme genau in Augenschein nimmt, lassen sich die Schäden in der Rinde erkennen, die Fäule im Stamm. Dieses Holz, sagt Max von Vequel-Westernach, war eigentlich für den Möbelbau vorgesehen. Es hätte einen guten Ertrag bringen können. Jetzt sei es nahezu wertlos. „Das Holz lässt sich nicht einmal mehr zur Herstellung von gutem Papier verwenden. Man kann es eigentlich nur verbrennen.“

    Der Freiherr als Waldherr in herausfordernden Zeiten

    Der junge Freiherr und seine Frau Fanny nehmen uns mit auf einen besonderen Waldspaziergang. In einen Wald, der sich seit mehr als 400 Jahren im Familienbesitz befindet. Diese Formulierung erzeugt jedoch einen Eindruck, den der studierte Forstwirt nicht umkommentiert lassen möchte. Selbst wenn das Renaissance-Schloss auf dem Burgberg und die es umgebenden Wälder seit langem der Familie gehören, so hat sich im Laufe der Zeiten viel geändert. Ein solches Schloss zu betreiben, ist mit enormen Kosten verbunden. Schon um Heizkosten zu sparen, wurde vor einigen Jahren der repräsentative Nordostflügel aufgegeben. Die Familie wohnt nun in einem Gebäudeteil, der mehr gen Westen ausgerichtet und schlicht wärmer ist. Auch die Zahl der Mitarbeiter hat sich stark verändert. Gab es früher Bedienstete, die das Schloss, die Ländereien und die Wälder pflegten, muss heute jede Dienstleistung beauftragt werden. Aktuell ist Waldwirtschaft – so der junge Freiherr – „herausfordernd“.

    Auch die Wälder rund um Schloss Kronburg sind betroffen vom Klimawandel. Aber der erforderliche Waldumbau ist teuer: Das Altholz muss herausgenommen werden, dann gilt es, neue Pflanzen anzusetzen und zu hegen. Dabei steht noch nicht einmal fest, welche Baumarten zukunftsfähig sind. Manche Experten schwören auf die Resilienz der Weißtanne oder auf einen Laubmischwald aus Linden, Birken und Eichen. Andere experimentieren mit mediterranen Arten wie Aleppo-Kiefer, Libanon-Zeder oder Ess-Kastanie. „Noch kann niemand sagen, wie das ausgehen wird.“

    Max von Vequel-Westernach zeigt auf eine Karte, die er auf einem Holzstoß ausgerollt hat. Verschiedenfarbig eingezeichnete Areale verweisen auf recht unterschiedliche Klimazonen. Hier ist der Wald trocken, da eher nass, hier stehen zu viele Fichten, und da leiden die Eschen unter einem Pilz, der aktuell den Bestand in ganz Bayern bedroht. Man sieht dem jungen Forstwirt an, dass er unter der aktuellen Lage auch leidet. Er liebt den Wald. „Wir wollen auf die Ess-Kastanie setzen. Aber es kann passieren, dass spätere Generationen über uns genau so schimpfen, wie wir manchmal über die Förster der Nachkriegszeit, die großflächig auf schnellwachsende Fichten gesetzt haben.“

    Der Umzug in den Südflügel war nötig, um Heizkosten zu sparen

    Auch wenn es gut tut, im Wald zu sein, wirtschaftlich ist er ein Risikoprojekt. Das gilt nicht minder für das Renaissanceschloss. Wir begleiten Fanny und Max in das unter Denkmalschutz stehende Gebäudeensemble auf einem Hügel, das weithin sichtbar das Land überragt. Teile des Schlosses dienen als Museum. Hier findet sich zum Teil jene Grandezza, die man mit dem Begriff „Schloss“ verbindet: lange Flure und endlose Zimmerfluchten, mächtige Möbel und große Gemälde, edle Textiltapeten und ein Zimmer voller Jagdtrophäen, ein Stammbaum, der bis ins 13. Jahrhundert reicht, und – ja – auch eine Ritterrüstung.

    Vor einigen Jahren ist unterhalb des Schlosses ein Gästehaus für Urlauber errichtet worden. Hier wohnen Fanny und Max in einer kleinen Wohnung, die wenig zu tun hat mit der feudalen Vergangenheit. Und hier präsentieren sie ein Geschäftsmodell, das sich gut entwickelt: der Verkauf von Wildfleisch aus dem eigenen Revier. Der junge Freiherr und diplomierte Forstwirt betreut ein Damwildgehege. Am Südhang befand sich einst ein von mehreren Gärtnern gepflegter Renaissancegarten. Nach einer kostspieligen Dachsanierung mangelte es an Geld, der Garten verwilderte. Schließlich kam man auf die Idee, Wild zu nutzen, um das Gras in der Hanglage kurz zu halten. Von Zeit zu Zeit schießt man Tiere aus der Herde. Das Fleisch wird im Onlineshop oder während des schlosseigenen Weihnachtsmarkts verkauft. Wer heute einen Wald besitzt, braucht solche Einnahmequellen, um sie zu finanzieren – die Liebe zu den Bäumen.

    Die Autoren

    Susanne Baade und Dirk Lehmann

    Im Expeditionsschiff in die Antarktis und per Helikopter über Australien, Wanderung zu einem Kloster in Nepal und Besuch im Luxushotels in Paris, Trekkings durch Kanada und Achtsamkeitsübungen im Allgäu – zu reisen, zu fotografieren, die Welt zu erzählen: Das ist unser Beruf, unsere Berufung. Lange haben wir als Redakteure namhafter Magazine im Hamburger Verlag Gruner+Jahr gearbeitet, seit einigen Jahren berichten wir nun für das Allgäu aus dem Allgäu. Hier haben wir besondere Menschen kennen gelernt, faszinierende Momente erlebt und eine Natur, die uns immer wieder begeistert. Wir sind dankbar für jedes dieser Abenteuer. Und dafür, dass Sie uns begleiten! Susanne&Dirk

    Mehr zu Susanne und Dirk auf ihrer Website.